Pakete für Muzzi

"Muzzi" Braun als kleines Mädchen
Archiv Hartmut Binder, Ditzingen

Auf dem einzigen Foto, das Kafka gemeinsam mit seiner Verlobten Felice Bauer zeigt, trägt diese ein aufklappbares Medaillon. Darin befanden sich zwei Porträts: eines von Kafka und eines von ihrer Nichte Gerda Wilma Braun, genannt »Muzzi«.

Die Familie Braun – Felices Schwester Elisabeth (Else), deren Ehemann Bernát Braun und die Tochter Muzzi – lebte seit 1911 in Ungarn, zunächst in Budapest, gegen Kriegsende in Arad (heute Rumänien). Felice Bauer besuchte ihre Schwester zweimal: zunächst im Sommer 1912 – wobei sie einen Zwischenstopp in Prag einlegte und dort Kafka kennenlernte –, dann erneut 1917, wobei Kafka sie bis Budapest begleitete.

Da während des Krieges Paketsendungen ins Ausland von komplizierten Zollbestimmungen und vielfachen Verboten erschwert wurden, beauftragte die in Berlin lebende Felice Bauer ihren Verlobten, von Prag aus Pakete an die Brauns zu senden, darunter auch zu Muzzis 4. Geburtstag am 31. Dezember 1915. Kafka schickte Kinderbücher und vermutlich einige (kriegsbedingt schon recht teuer gewordene) Süßigkeiten nach Budapest, die Familie Braun bedankte sich mit einem Foto, das die kleine Muzzi als Malerin zeigt. An Felice schrieb Kafka:

Von Deiner Schwester bekam ich gestern einen liebenswürdigen Brief, der mich sehr beschämt, denn ich habe doch an der Sendung für Muzzi nicht das geringste Verdienst, nur die mittelmässige Auswahl stammt von mir (Mit den 20 M sind natürlich beide Pakete überreichlich bezahlt.) Auch ein hübsches Bild von Muzzi lag bei. Eine etwas phantastische Aufnahme. Muzzi mit einer Palette vor einem Bild (Storch mit Kind) Was für ein kluges hübsches gut gebautes Kind das ist. Ich habe viel zu wenig und viel zu schlechte Sachen geschickt – fiel mir vor dem Bild ein.

Muzzi 1998_702x960
S. Fischer Verlag, Frankfurt am Main

Im folgenden Jahr schickte Else Braun offenbar Bittbriefe an Kafka, was ihre Schwester Felice zu unterbinden suchte. Zu Muzzis nächstem Geburtstag an Sylvester 1916 schnürte Kafka jedoch erneut ein Paket, wie aus drei weiteren Briefen an die Verlobte hervorgeht:

Morgen schicke ich das Paket für Muzzi weg. Nein vielleicht warte ich noch auf einen Auftrag von Dir. Vorläufig stelle ich zusammen: 2 Bücher 1 Spiel, Bonbons, Karlsbader Oblaten, Chokolade. Darüber hinaus versagt aber meine Phantasie. Soll nicht auch ein Kleidchen oder etwas derartiges beigepackt werden. Darüber müsste ich aber genaue Angaben bekommen, im übrigen würde ich es mir von Ottla besorgen lassen. […]

Das Geschenk für Muzzi wird diesmal besonders hübsch, Ottla hat die Ausführung übernommen. […]

Gestern ging das Paket an Muzzi ab, sehr hübsch, nur den Fehler hat es dass kein passendes Spiel gefunden wurde und deshalb ein Steinbaukasten geschickt wurde. Aber das Übrige macht diese Ungeschicklichkeit wieder gut.

 

Gerda »Muzzi« Fahrni, geb. Braun, starb am 19. August 2003 in Genf, im Alter von 87 Jahren. Fünf Jahre zuvor hatte sie noch an der Eröffnung der Ausstellung ›Kafkas Braut‹ in der Deutschen Nationalbibliothek in Frankfurt am Main teilnehmen können (unteres Foto).

 

Quellen: Briefe an Felice Bauer, 18. Januar, 8., 20. und 22. Dezember 1916, in: Franz Kafka, Briefe. April 1914–1917, hrsg. von Hans-Gerd Koch, Frankfurt am Main (S. Fischer) 2005, S. 150f., 278, 280, 281.