Gibt es eine Geschichte Kafkas, die gut ausgeht?

Es gibt zumindest eine Geschichte, die gut ausgehen sollte, nämlich den unvollendeten Roman Der Verschollene. Max Brod berichtet im Nachwort zur Erstausgabe (unter dem Titel Amerika, 1927), Kafka habe das Kapitel über das ›Naturtheater von Oklahoma‹ als Schlusskapitel bezeichnet: »Mit rätselhaften Worten deutete Kafka lächelnd an, daß sein junger Held in diesem ›fast grenzenlosen‹ Theater Beruf, Freiheit, Rückhalt, ja sogar die Heimat und die Eltern wie durch einen paradiesischen Zauber wiederfinden werde.« Dem widerspricht allerdings eine Notiz in Kafkas Tagebuch, in der ausdrücklich von einem gewaltsamen Tod des jungen Karl Rossmann die Rede ist. Die Vermutung liegt also nahe, dass Kafka das Ende des Romans buchstäblich ins ›Paradies‹ verlegen wollte.

Auffallend häufig sind bei Kafka Geschichten mit tödlichem Ausgang: Das Urteil, Die Verwandlung, Der Process, In der Strafkolonie, Ein Hungerkünstler. Auch Das Schloss sollte mit dem Tod des Helden enden. Selbstkritisch hat Kafka diese Vorliebe für Untergänge bereits im Dezember 1914 im Tagebuch konstatiert:

»An allen diesen guten und stark überzeugenden Stellen handelt es sich immer darum, dass jemand stirbt, dass es ihm sehr schwer wird, dass darin für ihn ein Unrecht und wenigstens eine Härte liegt und dass das für den Leser wenigstens meiner Meinung nach rührend wird. Für mich aber, der ich glaube auf dem Sterbebett zufrieden sein zu können, sind solche Schilderungen im geheimen ein Spiel, ich freue mich ja in dem Sterbenden zu sterben, nütze daher mit Berechnung die auf den Tod gesammelte Aufmerksamkeit des Lesers aus, bin bei viel klarerem Verstande als er, von dem ich annehme, dass er auf dem Sterbebett klagen wird, und meine Klage ist daher möglichst vollkommen, bricht auch nicht etwa plötzlich ab wie wirkliche Klage, sondern verläuft schön und rein.«