Kafka fälscht eine Unterschrift (II)

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S. Fischer Verlag

Seine Besuche im Weimarer Goethehaus, die Kafka im Juli 1912 gemeinsam mit Max Brod absolvierte, nahm er auffallenderweise gleich zweimal zum Anlass, um Unterschriften nachzuahmen: Einmal die Unterschrift der Tochter des Hausmeisters, in die er sich verliebt hatte – siehe das Fundstück ›Kafka fälscht eine Unterschrift (I)‹ —, daneben aber auch die Unterschrift eines weiteren, schon damals sehr prominenten Besuchers: Thomas Mann, der im November 1910 hier gewesen war.

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S. Fischer Verlag

Kafkas Versuch findet sich auf einem Notizblock, den er während der Weimarer Reise benutzte und auf dem er überwiegend Stichworte notierte, teilweise in stenographischer Schrift. Die Herausgeber der Kritischen Kafka-Ausgabe vermuten, dass die Unterschrift Thomas Manns im Gästebuch des Goethehauses als Vorlage diente. Wahrscheinlich betrachtete Kafka jedoch seinen Versuch als misslungen, denn er strich den nachgeahmten Schriftzug wieder aus.

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S. Fischer Verlag

Die Abbildungen zeigen die von Kafka selbst durchgestrichene ›Fälschung‹ (oben), darunter den digital rekonstruierten Schriftzug Kafkas ohne die Streichung (Mitte) sowie eine originale Unterschrift Thomas Manns aus dem Jahr 1919 (unten).

 

Quelle: Franz Kafka, Tagebücher, hrsg. von Hans-Gerd Koch, Michael Müller und Malcolm Pasley, Apparatband, S. 68, sowie Kommentarband, S. 259, Frankfurt am Main (S. Fischer) 1990.