Hermann Kafka

Foto von Hermann Kafka, Vater von Franz Kafka
© Archiv Klaus Wagenbach

Hermann Kafka, der Vater Franz Kafkas, wurde am 14. September 1852 im Dorf Wossek (Osek) in Südböhmen geboren. Sein Vater war Fleischhauer. Wie es im Milieu jüdischer Handwerker und Händler üblich war, wurden er und wahrscheinlich auch seine fünf Geschwister bereits als Kinder zur Arbeit herangezogen. Von 1872 bis 1875 leistete er Militärdienst, danach ging er nach Prag, wo er zunächst als Handlungsreisender tätig war. Während seiner Verlobungszeit mit Julie Löwy begann er mit den Vorbereitungen für eine Geschäftsgründung, und um die Zeit ihrer Heirat am 3. September 1882 eröffnete er eine Großhandlung für Kurzwaren und Modeartikel (damals ›Galanteriewaren‹). Mehrere Umzüge innerhalb der Prager Altstadt und die allmähliche Vergrößerung des Geschäfts (mit bis zu 15 Angestellten) markierten den gesellschaftlichen Aufstieg.

Die Rolle, die Hermann Kafka im Leben seines Sohnes spielte, ist bis heute umstritten. Einerseits war er gewiss stolz auf dessen Bildungskarriere, die bis zur Promotion führte und seinen eigenen Horizont weit überschritt. Andererseits war er enttäuscht darüber, dass die offenkundige Begabung des Sohnes mit einem völligen Desinteresse an allem Geschäftlichen einherging. Hermann Kafka war kein rücksichtsloser Tyrann, geschlagen hat er seine Kinder wohl niemals. Doch selbst, als sie bereits erwachsen waren, übte er weiterhin verbalen wie moralischen Druck aus, um sie dazu zu bewegen, ihre Lebenspläne seinen eigenen Vorstellungen anzupassen. Abweichungen wurden mit verständnislosen, häufig ironischen oder verächtlichen Bemerkungen bedacht — ein Verhalten, unter dem vor allem Franz, aber auch die jüngste Tochter Ottla zu leiden hatte.

Auch an der schriftstellerischen Arbeit des Sohnes war Hermann Kafka wenig interessiert, er betrachtete sie zunächst als Hobby, später als brotlose Kunst, die von einträglicheren Tätigkeiten abhielt. Offenkundig war die soziale Stufenleiter die Achse im Weltbild Hermann Kafkas: Er bewunderte jeden, der es zu Wohlstand gebracht hatte, und grenzte sich rigoros ab gegen alle, die er sozial überholt hatte. Dass dieser Opportunismus im Gegensatz stand zum vitalen und rechthaberischen Auftreten Hermanns, wurde von seinem Sohn schon früh wahrgenommen.

Im Juli 1918 verkaufte Hermann Kafka das Galanteriewarengeschäft an einen Verwandten, vom Erlös erwarb er ein Mietshaus. Nach dem Tod des Sohnes unterzeichnete er einen Vertrag, der Max Brod zum Herausgeber des Nachlasses bestimmte und Dora Diamant 45 Prozent der Einnahmen aus den Veröffentlichungen zusprach. In den letzten Lebensjahren war Hermann Kafka gebrechlich, ein Foto zeigt ihn im Rollstuhl. Er starb am 6. Juni 1931 in Prag.